
Wenn ich mir die diversen renommierten Grafik- und Design-Seiten wie Bēhance, DeviantArt oder ArtStation anschaue, ist mein Eindruck der einer relativen spirituellen Verarmung. Da hat es Monster, Autos, Raumschiffe, Science-Fiction-Motive, schrille Sujets, Krasses, Kindisches, Fantasy-Themen und mehr oder weniger gelungene Portraits; das, was sich die modernen Kunst – gehört die digitale (noch) nicht dazu? – an Freiheiten im Ausdruck erarbeitet hat, fehlt bei der digitalen Kunst nahezu vollständig. Was hier dominiert, ist der Fotorealismus.
Ich frage mich nun, ob es nicht auch anders geht. Dazu müßte aber – um nur ein Beispiel zu nehmen, bei Portraits – als Grundvoraussetzung ein Bewußtsein der kunstgeschichtlichen Entwicklung des Portraits von, sagen wir Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bis heute vorhanden sein. Dabei denke ich jedoch definitiv nicht an Leute wie Georg Baselitz und auch nicht an Julian Schnabel oder – ebenfalls aus den USA – an Andy Warhol; Künstler, die man/frau nun kaum als spirituell ansehen kann.
Aber – spirituell? Was heißt das überhaupt? Spontan fallen mir dazu Werke wie die Piëtà“ – nach Delacroix – von Vincent van Gogh (s. o.) oder die „Heilige Ursula“ von Adolf Hölzel ein, aber auch bestimmte Werke etwa von Mark Rothko, um einen deutlich moderneren Künstler zu nehmen. Aber auch die Portraits von Alberto Giacometti empfinde ich als spirituell. Sozusagen die Antithese dazu wäre dann etwa Andy Warhol oder – aktuell – Jeff Koons, wobei dieser keine Portraits macht, sondern seine Ballon-Skulpturen, die uns die Konsumgesellschaft vorführen sollen: der Künstler als Produzent. Kommerzorientierter geht es wohl kaum noch.
Was wollte ich nun sagen? Ja, digitale Kunst und Spiritualität. Bislang scheint das ein Widerspruch zu sein. Muß das aber so bleiben? Das ist nun eben die Frage. Ich habe überlegt, ob mir ein Gegenbeispiel einfällt – leider vergebens. Als mögliche Lösung fällt mir ein, was ich hier schon an anderer Stelle geschrieben habe: daß moderne, etablierte oder auch (noch) nicht etablierte Künstler sich des digitalen Mediums annehmen und es hin zu einer Tiefe im Ausdruck weiterentwickeln, die wir in der aktuellen Kunstszene leider vergeblich suchen.