Text „Im Park“

I.

Ich habe meine Wohnung verlassen und lasse mich im warmen Licht der Abenddämmerung durch den nun verlassenen Park dahintreiben. Wie eine Kamera in einem imaginären Film schweift mein Blick über hohes, getrocknetes Gras, und einen Moment lang wünschte ich, es gäbe keine Menschen mehr, nur diese weite, von einem warmen Honigton überzogene Ebene. Von irgendwo her treibt eine entfernte Lautsprecherstimme durch die Luft herüber und bildet einen eigentümlichen Kontrast zu der Ruhe, die der Park ausstrahlt – ja, sie unterstreicht diese Ruhe sogar in gewisser Weise.

Ich fühle mich immer stärker in einen Film hineinversetzt, während ich den asphaltierten Weg verlasse und durch das hohe Gras streife, das hier von einem satten Grün ist, unterbrochen nur durch einzelne gelbe und violette Farbtupfer …

II.  

Dämmerung. Baumgeäst zeichnet sich gegen das orangefarbene Lichtband ab, das sich über dem  Horizont dahinzieht, gegen die emporragenden Silhouetten der Baumstämme, die von einem filigranen Spitzenmuster umgeben sind. Efeuüberwucherte Säulenbögen, die sich den Hang hinabschlängeln, im Hintergrund ein Posthorn, das tiefgelb aus der Dunkelheit glüht. Entferntes Rauschen einer Schnellstraße, Vogelzirpen, Froschgequake vom See her, in dessen dunkler Fläche sich Lichter widerspiegeln.

Dunkle Silhouetten, die gegen das tiefe Blau des Abendhimmels über mich hinwegfliegen wie aus schwarzem Papier ausgeschnittene Vögel. Die schimmernde Wasserfläche ist mit leichten Wellen überzogen, wie ein dunkler, geheimnisvoller Spiegel. – Die Zeit scheint stillzustehen. – Konturen fließen ineinander, die ganze Landschaft erscheint wie aus einem Guß.

Ab und zu zieht das Lichtband einer hellerleuchteten Straßenbahn vorüber. Rauschen, entferntes Lachen. Ein Düsenjäger, der am Himmel seine Spur zieht und dessen Kondensstreifen im Licht der Abendsonne orangerot aufglüht …

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Text „Flußlandschaft“

Samstagmorgen. Nachdem ich mir für heute vorgenommen hatte, eine Wanderung entlang des Neckars von Cannstatt Richtung Marbach zu machen, packte ich also ein paar Brote, etwas Obst sowie eine Flasche Mineralwasser in meinen Rucksack und machte mich gegen 10 Uhr dreißig bei sonnigem Wetter auf den Weg.

Am Neckar angekommen, fiel mein Blick nach ein paar Metern auf einen langen Kohlenkahn, der gerade entladen wurde. Mir erschien es sinnlos kompliziert, die Kohle mittels eines Krans Schaufel für Schaufel aus der Ladebucht des Kahns herauszuholen; das könnte man, so denke ich mir, doch mittels einer Art Saugvorrichtung ähnlich eines Staubsaugers viel effizienter erreichen.

Nachdem der Wind oben auf der Straße, die ich auf dem Gehsteig entlanggehe, relativ kalt bläst, beschließe ich, unten direkt am Flußufer zu gehen, wo ein schmaler Weg verläuft. Hier ist der Wind nicht so stark; außerdem stören mich die Geräusche der vorbeifahrenden Autos nicht so sehr. Für mich gänzlich ungewohnt, so nah am Wasser entlangzugehen, finde ich es hier unten aber doch angenehmer als oben auf dem Gehsteig. Ein Kahn (ein anderer als der vorhin) fährt flußabwärts an mir vorüber. Ein Mann an Deck ist mit irgendetwas beschäftigt; hinter ihm ein Auto, das auf Deck festgemacht ist. Es fasziniert mich, zuzusehen, wie der Kapitän den Kurs der Biegung des Flusses anpaßt; eine Aufgabe, die – bei einem sicher an die fünzig Meter langen Schiff – bestimmt keine Kleinigkeit ist und einiges an Übung verlangt.

Als das Schiff schon außer Sichtweite ist, bemerke ich bei genauerem Hinsehen, daß es eine braune Spur im glitzernden Graublau des Flusses hinterlassen hat. Ein Stück weiter sehe ich in Ufernähe eine leere Plastikflasche, die im Wasser schwimmt: Zeugnis der Sorglosigkeit und Rücksichtslosigkeit des Menschen gegen die Natur. Durch die Sonne, die an dieser Stelle direkt aufs Wasser scheint, sind die Wellenkämme wie mit flüssigem Silber überzogen.

Es ist inzwischen elf Uhr geworden, Zeit für die erste eingeplante Rast. Während ich mich auf eine Bank am Ufer setze und meinen Rucksack abnehme, kommen zuerst zwei kleinere Kinder auf Klapprollern angefahren, und dahinter in gewissem Abstand, eine schon ältere Frau, die mir auf Anhieb unsympathisch ist. Ich warte mit dem Essen, bis sie an mir vorbeigegangen ist. Als ich fertig bin und mich erneut auf den Weg mache, der nun unter einer Brücke hindurchführt, die genau vor der nächsten Flußbiegung liegt, muß ich notgedrungen an der Frau und den beiden Kindern vorbei und bin erleichtert, als sie hinter meinem Rücken verschwunden sind!

Rechts neben dem Weg erstreckt sich – für mich ganz überraschend – eine grüne Parklandschaft. Das hatte ich hier nun gar nicht vermutet! Ein Stück weiter höre ich auf einmal klappernde Geräusche, die von rechts aus dem Gehölz zu mir dringen. Erst beim Weitergehen sehe ich, daß es sich um Reiher handelt, die hier in den Bäumen ihre Nester gebaut haben. Eine Tafel informiert mich darüber, daß dies hier ein Naturschutzgebiet ist, dessen Mittelpunkt ein kleiner, wohl künstlich angelegter Binnensee bildet. An einer Landzunge kann ich eine Anlegestelle mit einer Reihe von Booten sehen, die während der Saison vermutlich zum Verleih stehen.

Überhaupt erschließen sich mir hier an diesem Flußufer, wo ich das allereste Mal bin, gänzlich neue Eindrücke. Ich komme an einer Bootsvermietung vorbei, an der eine Reihe verschiedener Motorboote festgemacht sind. Eines davon legt gerade ab, und ich sehe zu, wie der Fahrer es, ganz ohne Motorkraft, von der Anlegestelle in den Fluß hinaus treiben läßt.

Nachdem ich nochmals eine Brücke unterquert habe, wird mir der Wind langsam doch zu kalt (ich hatte mich in Erwartung warmen Wetters nicht übermäßig warm angezogen, was sich nun als Fehler herausstellt). Um mich nicht schon wieder zu erkälten, beschließe ich, meine Exkursion hier abzubrechen und bei der nächstbietenden Gelegenheit den Fluß zu überqueren, da ich am anderen Ufer eine Stadtbahn gesehen hatte. Ich bin jetzt gut eineinhalb Stunden zu Fuß unterwegs und finde, daß ich es damit für heute gut sein lassen kann.

Auf meine Frage hin weist mir ein Mann den Weg zur nächsten Brücke, einer provisorischen Stahlkonstruktion, die sich hier über den Fluß spannt. Ich folge einfach meiner Intuition und finde auch tatsächlich eine Bäckerei. Spontan beschließe ich, dort eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich frage nach dem Weg zur nächsten Haltestelle. Es sei nicht weit, nur ein paar hundert Meter geradeaus, und dann halblinks. Ich schätze, daß ich wohl keine Schwierigkeiten haben werde, die Haltestelle zu finden, und nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, mache ich mich wieder auf den Weg. Wie sich herausstellt, ist die Haltestelle wirklich nicht zu verfehlen; sie liegt genau gegenüber einem großen Einkaufszentrum. Da die Sonne hier nun doch relativ hell scheint, setze ich meine Sonnenbrille auf und schaue an der Haltestelle auf den Fahrplan. Noch ca. acht Minuten, das geht.

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„Ohne Titel“

„Ohne Titel“ (1994; Detail) © Copyright 1994 by Claus Cyrny. Alle Rechte vorbehalten.

Diese Grafik habe ich 1994 an einem Mac in der Stuttgarter Mediathek im Treffpunkt Rotebühlplatz erstellt. Software: Die damals aktuelle Version von Photoshop. Das war so ziemlich mein erster Versuch, eine Computergrafik zu machen.